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Trauern

Von der Kraft des Trauerns

In der Trauer sieht sich die Seele vor einen Verlust gestellt, dessen Empfinden im Augenblick grösser ist als die Kraft, ihn zu tragen. In der Trauer hören dabei die freudigen Regungen auf, die Gefühle fallen in dieses eine zusammen, die Seele selbst ist eingeschnürt in die Dunkelheit des Verlustes, wie gelähmt.

Von Cordelia Böttcher

Für den Trauerprozess ist es wichtig, alle diese Empfindungen, die auftauchen, zu bemerken und zu benennen, um sie ganz in das eigene innere Leben einzugliedern. Sie gehören von nun an dazu, so wie die Liebe zum Verstorbenen. Sehr interessant ist die Beobachtung, was geschieht, wenn jemand stirbt, mit dem man es schwer hatte. Hört man von seinem Tod, beginnen sich meist die Gefühle ihm gegenüber zu verändern. Es ist dann so, als ob mit dem Ablegen des Leibes das Temperament und alle Eigenarten, die gestört haben, in den Hintergrund treten und eine Ahnung von der eigentlichen Persönlichkeit aufkommt.

Trauer braucht Zeit
Alle Trauer braucht Zeit, um diese inneren Schritte zu tun. Die innere Gegenwart des Verstorbenen kann stark erlebt werden und wie ein goldenes Licht alles durchdringen, und trotzdem kann die Trauer über sein Fortgehen aus dem irdischen Leben noch lange anhalten. Die Trauer führt die Seele zum Verstorbenen hin, und die warme lebensvolle Begegnung im Geist kann ein starker Trost über den Verlust hinweg werden.

Freilassende Trauer
Es gibt Menschen, die mit der Vorstellung leben, dass Trauer eine Schwäche sei, der man nicht nachgeben darf.  Im Sinne von «Das Leben geht weiter. Tot ist tot, da kann man nichts machen. Sei nicht so sentimental.»

Früher gab es die Sitte, nach dem Tod eines Nächsten ein Trauerjahr einzuhalten. Die schwarze Kleidung, die auch als Schutz für die trauernde Seele erlebt wird, zeigt das den Aussenstehenden an. Diese Zeit gab die Möglichkeit, den ganzen Lebenskreis eines Jahres zum ersten Mal bewusst ohne den Verstorbenen zu durchleben und in dieser Zeit das Verhältnis zu ihm neu zu gründen. Die Trauer konnte sich in Wellen zurückziehen. Im Grunde erleben alle Menschen dieses Trauerjahr, auch wenn sich diese Prozesse nach innen verlagert haben. Die Psychologin Antje Uffmann hat die verschiedenen Arten von Trauer mit Landschaften verglichen, in denen man sich bewegt, durch die man zu wandern hat und dabei vom Verstorbenen wie auch von sich selbst unglaublich viel Neues lernt.

Trauern kann so als wertvolle Entwicklung der eigenen Seelenkräfte erfahren werden.