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Läuterung nach dem Tod - Kamaloka

Befreiung aus der Erdgebundenheit

Nach dem Verdämmern der Lebensrückschau ist für eine gewisse Zeit die seelische Verarbeitung des vergangenen Lebens das Hauptthema. Auf dieser Stufe konfrontiert sich der Verstorbene noch einmal mit allen Geschehnissen seiner Biographie.

Für viele Zeitgenossen ist nicht leicht einzusehen, dass die ewige Seele des Menschen sich für den Eintritt in die rein geistige Welt vorbereiten muss. Zu sehr ist dieser Prozess der Läuterung durch dogmatische religiöse Vorstellungen missbraucht worden.

Wer mit dem Gedanken der wiederholten Erdenleben vertraut ist, wie diese in der Anthroposophie vorkommen, der denkt an einen unaufhaltsamen Weg durch die höheren Welten, wo es auch kein Verbleiben gibt in einer Welt, wo Hitze und Kälte erfahren werden.

Heiss und kalt
Selbstverständlich erfreuen sich alle Sterblichen an sinnlichen Erlebnissen. Im Nachtodlichen muss sich die Seele an einen Zustand ohne genussvolle Sinneserlebnisse gewöhnen. Die Erfahrungen sind jetzt nicht weniger reichhaltig als im Erdbereich. Das Entwöhnen wird individuell verschieden, oft als schmerzlicher Prozess, erlebt. Er ist vergleichbar dem Durchleiden von Hitze und Kälte. Der ewigen Seele erscheint dieser Durchgang als ein Prozess der Befreiung, der ihr Erleichterung bringt.

Auf dem Weg durch diese Seelenwelten erfährt die Seele den gesamten biographischen Weg aus der Erdenzeit noch einmal, jedoch in umgekehrter Reihenfolge. Sie selber hat die Kraft, den eigenen Lebenslauf zu beurteilen. Aus solchem Urteilen wächst eine erste Sehnsucht nach Wiedergeburt, um Misslungenes oder Unerledigtes auszugleichen.

Die Dauer dieses Zustandes bemisst sich etwa auf einen Drittel der gelebten Lebenszeit. Danach ist der weitere Weg frei von Belastungen aus vergangenen Erdenzeiten. Die Seele tritt nach der Seelenwelt in die Geistwelt ein.

Die Läuterung nach dem Tod bzw. das Kamaloka (skrt. काम kama "Verlangen" und लोक loka "Ort"; wörtlich also der "Ort des Verlangens") wird in der christlichen Terminologie als Fegefeuer (lat. purgatorium) bezeichnet.

In Steiners Worten
Rudolf Steiner beschreibt dies folgendermassen:
Der nächste Zustand des Ich besteht darin, sich frei zu machen von diesem Anziehungsband an die äussere Welt. Das Ich hat in sich eine Läuterung und Befreiung in dieser Beziehung herbeizuführen. Aus ihm muss alles herausgetilgt werden, was an Wünschen von ihm innerhalb des Leibes erzeugt worden ist und was in der geistigen Welt kein Heimatrecht hat [...].

Erschreckend könnte es erscheinen, [...] dass ein Wunsch, den nur die physische Welt erfüllen kann, dann in brennende Entbehrung sich wandeln muss. [...] Würde diese Begierde aber nicht ausgetilgt, so könnte die bewusste Wahrnehmung des geliebten Menschen nach dem Tode gar nicht eintreten. So betrachtet, verwandelt sich die Vorstellung des Furchtbaren und Trostlosen, das für den Menschen die Ereignisse nach dem Tode haben könnten, wie sie die übersinnliche Erkenntnis schildern muss, in diejenige des tief Befriedigenden und Trostreichen.

Auch Rollen kehren sich um
Die nächsten Erlebnisse nach dem Tode sind nun in noch einer Beziehung durchaus verschieden von denen während des Lebens. Während der Läuterung lebt der Mensch gewissermassen nach rückwärts. Er macht alles dasjenige noch einmal durch, was er im Leben seit der Geburt erfahren hat. Nur erlebt er auch dieses alles jetzt in umgekehrter Art. Ein Mensch, der zum Beispiel [...] jemand körperlichen oder seelischen Schmerz zugefügt hat, (erlebt jetzt dafür) den Schmerz, der durch ihn diesem andern zugefügt worden ist. [...]

Erst wenn der Mensch bei seiner Rückwärtswanderung in dem Zeitpunkte seiner Geburt angelangt ist, sind alle derartigen Begierden durch das Läuterungsfeuer hindurchgegangen, und nichts hindert ihn von jetzt ab an der vollen Hingabe an die geistige Welt.
(Kapitel Schlaf und Tod. Geheimwissenschaft im Umriss. GA 13)

Sich aus dem Unerledigten herausarbeiten
Es ist immer sozusagen zwischen den Zeilen des Lebens etwas von Begierden, von Wünschen, von Liebe zu anderen Menschen und so weiter zurückgeblieben. Unerledigtes – um den trivialen Ausdruck zu brauchen – im letzten Leben, das ist das, auf das wir begehrend geistig zurückblicken, und zwar jetzt auf Jahre hin begehrend geistig zurückblicken.
(8. April 1914. Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt. GA 153)

Abgewöhnung - die Bindungen bleiben dennoch bestehen...
Daher können wir sagen: Es vergehen nach dem Tode Jahre, in denen die Seele damit beschäftigt ist, allmählich sich von dem letzten Leben loszureissen, den Zusammen hang mit dem letzten Leben sich abzugewöhnen. Diese Jahre vergehen so, dass wir nicht etwa herausgerissen sind aus den Erlebnissen des letzten Lebens. Wir hängen zusammen mit den Menschen, die wir verlassen haben, die wir geliebt haben; aber wir hängen dadurch zusammen, daß wir im Leben gewisse Gefühle und Zusammenhänge mit ihnen gewonnen haben; und auf dem Umwege dessen, was uns das Leben geboten oder versagt hat, hängen wir mit ihnen zusammen. [...] Man lebt nach dem Tode mit den Lebenden zusammen, aber auch mit den schon Verstorbenen, mit denen man im Leben einen Zusammenhang gehabt hat. So muss man sich also das Leben nach dem Tode vorstellen, dass es in dieser Weise durch Jahre hindurch dauert.
(14. März 1914. Vortrag: Das Leben zwischen Tod und Wiedergeburt des Menschen. Geisteswissenschaft als Lebensgut. GA 63)

Reif werden für die geistige Welt
Und wenn wir also rückwärtsgegangen sind bis zu unserer Geburt, dann sind wir reif geworden, auch von unserem astralischen Leib dasjenige abzulegen, was von ihm vom Irdischen durchtränkt ist. Dann geht das von uns weg, und mit diesem Ablegen des astralischen Leibes tritt für uns ein neuer Zustand ein. Der Astralleib hielt uns immer, mochte ich sagen, in unseren Erlebnissen mit der Erde zusammen. Dadurch, dass wir so durch unseren astralischen Leib durchgehen müssen, nicht träumend, aber indem wir irdische Erlebnisse zurückerleben, sind wir im Erdenleben noch drinnen; wir stehen noch drinnen. Jetzt erst, wenn wir den Astralleib – uneigentlich, aber man kann nicht anders sagen, da die Sprache kein Wort dafür hat – abgelegt haben, sind wir von dem Irdischen ganz frei geworden, jetzt leben wir drinnen in der eigentlich geistigen Welt.
(22. Februar 1916. Die Verbindung zwischen Lebenden und Toten. GA 168)

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